Sonntag, 16. März 2014

Gaby wartet im Park - Kapitel 8- Neufassung



Kapitel 8

Gaby Moser saß an ihrem Schreibtisch in der Bezirksdirektion der Zenturion Versicherung. Ihr Blick war starr auf dem Flachbildschirm gerichtet. 30 % Stornoquote, irgendwer brach in ihren Geschäftszweig ein. Nicht, dass sie einen Schatten aus ihrer Vergangenheit an der Backe hatte. Nein, zu allem Überfluss musste sie auch noch beruflich kämpfen.

„Frau Brandt, bitte rufen Sie für Montag alle Hauptorganisationsleiter und Organisationsleiter zusammen. Es besteht Anwesenheitspflicht.“
„Jawohl Frau Moser.“
Wenigstens das lief noch einigermaßen. Zucht und Ordnung in ihrer Bezirksdirektion. Doch als sie sich die Stornozahlen genauer ansah, verschluckte sie sich fast am Kaffee.
„Verdammte Schei… das ist glatter Betrug!“
Sie sprang auf und lief wild fluchend durch ihr Büro.
„Das kann doch nicht wahr sein. Das ist die größte Sauerei die ich je erlebt habe!“
Dann drückte sie die Durchwahl zu ihrer Sekretärin.
„Frau Brandt, ich nehme mir den Rest des Tages frei.“
Wütend verließ Gaby das Büro der Bezirksdirektion, ihrer Bezirksdirektion, sie hatte diese gegen alle Widrigkeiten durchgesetzt. Der Vertriebsdirektor war dagegen gewesen, ihn hatte sie mit Zahlen überzeugt. Allerdings musste sie alles selber zahlen. Die Einrichtung, die Miete, das Inventar. Lediglich das Gehalt von Frau Brandt wurde von der Zenturion bezahlt. Und nun drohte sie all das zu verlieren. Sie musste raus. Gaby fuhr auf geradem Weg in ihre Wohnung, duschte kurz zog sich Sportkleidung an, verließ ihre Wohnung und begann zu laufen, sie lief, einfach nur laufen, weglaufen, vergessen.  Vergessen, dass ein Versicherungsvermittler, wenn zu viele seiner Verträge gekündigt wurden, er also zu viele Stornos hatte, entlassen werden konnte. Laufen und vergessen, dass sie ihr ganzes Leben lang mit ihrer Stornoquote, die immer maximal 2 % betrug. Sie konnte sich diese hohen Stornozahlen nicht erklären. Und sie wollte auch nicht. Denn es machte ihr Angst. Es machte ihr Angst, dass sie alles zu verlieren drohte, was sie sich hatte aufgebaut. Und sie wollte nur eines, dieser Angst davon laufen.

Als Gaby anhielt, stand sie direkt vor ihrem alten Dojo. Vorsichtig berührte sie das schwere Holz der Eingangstür. Fassungslos starrte sie auf die Tür. Sie war repariert worden. Es sah fast so aus wie vor 10 Jahren. Aber das konnte nicht sein. Kassandra´s Vater starb vor 5 Jahren. Seit dem war hier nie was passiert. Das alte Dojo war immer mehr verfallen. Unsicher schaute sie sich um, versucht die Tür zu öffnen. Etwas von dem alten Geist zu spüren.

Gaby Moser trat durch die Dojotür, schlüpft aus den Laufschuhen. Sie stellte diese neben dem Eingang ab, legte ihre Hände an die Oberschenkelseite und machte eine Verbeugung, ohne sich im Raum umzusehen. Zu sehr waren die Erinnerungen mit ihr verwurzelt. Zu sehr hatte man ihr den blinden Respekt eingebläut. Sie konnte nicht anders. Und sie wollte es auch nicht anders.

Als sie dann hochschaute, wurde sie leichenblass.  Nichts schien sich verändert zu haben. Wirklich nicht. Das Wappen mit dem rotem Shintoschreintor, die traditonellen Reisstrohmatten, einfach alles war wieder da. Einfach alles sah aus wie vor 10 Jahren. Das rote Tori welches das Wappen des Dojo´s zierte, schien zu leuchten. Der schwarze Baum im Hintergrund und die untergehende Orangefarbene Sonne, alles sah wieder so aus wie früher. Alles fühlte sich wieder so an wie früher. Aber das konnte nicht sein. Das war einfach nicht möglich niemand konnte die Zeit zurückdrehen, die Matten aus Reisstroh mussten vergammelt sein, faulig riechen. Und das Rot des Tores hätte verwittert sein müssen. Aber nichts dergleichen war. Es sah alles so aus, als hätte sie den Raum erst gestern nicht mehr betreten. Gaby stand der Mund offen, sie war sprachlos, sie war mehr als nur sprachlos. Sie war wie in Trance. Sie erlebte gerade ihre eigene Vergangenheit ein zweites Mal und das musste sich erst mal setzen.

„Hallo Träumerin, hast du mich vermisst?“
„Hallo, Kassy. Seit wann ist hier wieder auf?“
„Seit einem Monat, Träumerin. Weißt du das nicht?“
„Nein, wieso sollte ich?“
„Nun, weil ich bei dir im Büro ein Angebot für eine Betriebshaftpflichtversicherung und eine Inventarsversicherung angefragt hab und bis heute keines bekam.“
„Äh, bist du verrückt? Du kannst den Laden doch nicht ohne führen?
„Wer sagte denn, dass ich das tue. Da von Euch kein Angebot kam, hab ich eines von der BVG angenommen?“
„BVG? Das ist unser Rückversicherer, wieso? Ich verstehe nicht?“
„Geh erst mal duschen, du weißt ja wohl noch wo die Duschen sind, oder?“
Wie in Trance verschwand Gaby in den Damenduschen. Wie in Trance zog sie sich aus und dreht das heiße Wasser der Dusche auf.

Mit hochrotem Kopf kam Gaby aus der Dusche. Sie sah gerade noch, wie sich die Schüler von ihrer Sensej, Kassandra Heinze, verabschieden.
„Gruß im Stand. REI!“
Kassandra deutet eine Verbeugung an und gleichzeitig verbeugten sich ihre Schüler vor ihr. Genauso wie es Gaby tat, als sie das Dojo betrat. Die Hände an den Oberschenkel, Gesicht nach unten. Sofort erkannte Gaby, dass nicht mal die Hälfte den Sinn dieser rituellen Handlung verstanden hatte. Innerlich lachte sie.
Dann ging Kassandra auf sie zu. Komm Gaby, wir machen uns was zu essen und reden, Ich geh vorher noch mal duschen und danach reden wir. Ich denke, das ist schon lange überfällig.“

Gaby nickte nur stumm. Die Atmosphäre hatte sie wieder. Das hier war mal ihre Heimat, der Ort an dem sie glücklich war. Durch den Verfall hatte sie mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen. Jeder zerstörte Ziegel, jedes kaputte Fenster ließ sie erkennen, dass das alles Vergangenheit war. Nun war ihre Vergangenheit auf einmal wieder lebendig.
„Aber man kann die Geister der Vergangenheit nicht wieder zum Leben erwecken. Das vergangene ist vergangen. Die Zeit geht nur in eine Richtung.“, dachte Gaby für sich.
„Huhu Träumerin, bist du noch da?“
Vor ihr stand Kassandra in einem weißen Gi und einem schwarzen Hakama und schaut ihre Freundin besorgt an.
„Ja, klar. Sind nur ein paar Erinnerungen die gerade hochkommen.“
Gaby schaute Kassandra an. Der schwarze Hosenrock, diese weiße Jacke. Verlegen lächelt Gaby auf. Sie wusste genau, dass das mehr als nur Erinnerungen waren. Es war ein leises Bedauern dabei. Diese Halle war jahrelang ihr Korsett gewesen, das was ihrem Leben einen Halt gab. Bis zu dem Zeitpunkt, als ihr Vater ihr den Umgang verboten hatte.
 „Wollten wir nicht über andere Dinge reden?“
„Wir reden darüber was dir auf dem Herzen liegt, Träumerin.“
Da war sie wieder,  diese sanfte Führung, dieser Schubs in die Richtung die für sie gut war. Warum machte Kassandra das nur? Konnte sie sie nicht einfach nur in Ruhe lassen.
„Kann ich das Angebot mal sehen. Ich meine das von der BVG?“
„Klar, nachher kannst du es sehen. Erst mal gehe ich duschen. Machst du uns schon mal was zu essen. Du weißt ja wo die Küche ist.“
„Klar….“
Und schon stand  Gaby mit offenen Mund da und wundert sich. Kassandra hatte es wieder getan. Wieder gab sie die Befehle, wieder wurde sie behandelt wie ein kleines Kind. Dabei waren die beiden nicht mal mehr ein Paar. Was fiel ihr eigentlich ein? Sie waren nicht mehr zusammen. SIE hatte den Deal gebrochen. Warum fing sie wieder damit an? Warum wollte sie wieder die Kontrolle?
Doch dann hörte sie schon aus den Duschen das Wasser rauschen. Kassandra hatte sie einfach stehen gelassen.
Verwirrt ging Gaby in die Küche, wieder kamen Erinnerungen hoch. Kassandras Vater hatte hier oft für die Drei gekocht.

Wieder stand Gaby in der Küche, sie war renoviert worden, moderner. Aber dennoch, diese Küche würde sie immer wieder erkennen.  Zu viele Erinnerungen, zu viele glückliche Momente, zu viele Abende mit Kassandra und ihrem Vater.
Mechanisch bereitete Gaby das Abendbrot zu. Brotzeit mit Aufschnitt, so wie Kassandra´s es abends immer liebte. Die Scheiben Schwarzbrot schnitt sie in kleine Portionen, öffnet noch schnell eine Flasche Bier und füllt dieses in ein Glas. Sie stutzt, dieses Glas kannte sie, es war dasselbe Glas wie vor 10 Jahren, es war das Glas, was sie Kassandra geschenkt hatte. Das Glas, aus dem beide zusammen ihr erstes Bier getrunken hatten. Sie seufzte auf und brachte alles an den Wohnzimmertisch, wie gewohnt schaltete sie den Fernseher ein, dreht die Lautstärke etwas runter. Es war, als wäre nie ein Tag vergangen, es war, als wäre alles wie immer.
Gaby und Kassandra saßen beim Abendessen. Gaby wagte es immer noch nicht Kassandra anzusehen. Zu gerne würde sie wissen wieso. Zu gerne würde sie erfahren, wo Kassandra war. Zu gerne würde sie wissen was damals passiert ist.

„Du Kassandra?“
„Ja Träumerin?“
In Gaby regt sich Widerstand. Es gab eine Zeit in der sie geträumt hatte, eine Zeit in der sie dem Leben am liebsten entflohen wäre. Aber diese Zeit war vorbei. Schon lange.
„Kassandra, ich träume schon lange nicht mehr?“
„Und warum sitzt du dann hier bei mir, isst mit mir zu Abend? So wie damals?“
„Weil ich zufällig hier her kam, und du mich eingeladen hast!“
Gaby versuchte es einfach mal mit einer Lüge. Sie musste Kassandra ja nicht sagen, dass sie noch immer eine große Bedeutung in ihrem Leben hatte. Immer, nein schon wieder. Seit dem Treffen in ihrer Bar, seit Kassandra sie vor den Kerlen gerettet und nach Hause gebracht hatte. Seitdem war sie ihr nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Aber das musste sie IHR nicht auf die Nase binden. Das musste SIE auf keinen Fall erfahren.
„GABY MOSER, lüg mich nicht an.“
Kassandra´s Stimme klang sauer. Sie schien die gleiche Abneigung gegen Lügen zu haben wie ihr Vater. Denn der hatte damals genauso reagiert. Gaby schluckte, sollte sie wirklich mit der Wahrheit rausrücken? Sollte sie ihr wirklich sagen, wie sehr sie sich in ihr Herz gebrannt hatte?
„Verdammt ja, ich hab geträumt.“
Gaby hoffte inständig, dass sich Kassandra von dieser „verkürzten Wahrheit“ blenden lassen würde. Sie wollte nicht alles erzählen.
„Wovon hast du denn geträumt?“
Kassandra´s Stimme war auf einmal ganz sanft. Ihre Hand sucht die von Gaby, nahm sie und schaut ihr dabei tief in ihre grünen Augen.
„Wovon hat meine kleine Träumerin geträumt?“
„Genau davon!“
„Wovon?“
„Davon was hier gerade passiert, davon was du in mir auslöst. Davon endlich ein Heim zu haben.“
In Gaby brachen alle Dämme sie saß auf der Couch, ihr Kopf auf der Schulter von Kassandra und sie weinte hemmungslos. Kassandra legte ihren Arm um sie, streichelte ihr sanft über den Kopf.
„Es tut mir leid, Liebes. Aber jetzt bin ich für dich da. Versprochen. Ich lass dich nie wieder alleine. Wenn du mich noch willst.“
In Kassandra´s Stimme spiegelte sich eine Unsicherheit, deutlich hörbar für Gaby. Die große Kassandra, ihre große Kassandra hatte Angst sie zu verlieren.
„Ich habe nie etwas anderes gewollt.“
„Und Stefan?“
„Stefan? Ja, ich habe ihn geliebt. Aber er konnte mir nicht das geben was ich bei dir hatte.“
„Hm? Nicht. Nun mindestens in einer Sache ist er mir überlegen.“
„Ich rede nicht von Sex.“
„Sondern?“
„Von Halt. Ja ich mag Sex mit Männern. Aber die wenigsten können mir den Halt geben, den ich von dir bekam. Eigentlich keiner konnte das.“
„Ach Träumerin, dann werden wir in unserem Leben wohl einen Mann finden müssen, der neben mir bestehen kann und dir dennoch den Halt gibt den du brauchst.“
„Wer sagt denn, dass ich neben dir einen Mann akzeptieren kann oder will?“
In Gaby regte sich erneut Widerstand. Was bildete sich Kassandra ein. Mit welchem Recht wollte sie wieder über ihr Leben bestimmen?
„Meinst du wirklich, ich lass es noch mal zu, so verletzt werden zu können? Meinst du wirklich, irgendwer bekommt diese Macht über mich?“
„Gaby, glaubst du ehrlich ich hab diese „Macht“, wie du es nennst, nicht über dich?“
„Dann frag ich anders. Warum sollte ich irgendwem neben dir erlauben, diese Macht über mich zu haben?“
„Weil du nur mit einem solchem Menschen an deiner Seite wirklich glücklich werden kannst.“
„Stimmt, nur sollte dieser Mensch männlich sein.“
All ihre Wut, all ihre verletzten Gefühle kamen wieder in ihr hoch. Nie wieder würde sie eine Frau so nah an sich heranlassen. Nie wieder würde sie es aushalten so verletzt zu werden.
„Warum hast du mir das nie erzählt? Ich meine, warum konntest du mir das nicht schreiben?“
„Aus demselben Grund aus dem ich dir zur Zeit nicht sagen kann, was ich in den USA gemacht habe.“
„Na komm schon, hör auf damit. Du tust ja so als ob du da drüben wen umgebracht hättest.“
Gaby knufft Kassandra in die Seite. Doch diese reagiert nicht.
„Ich kann es dir nicht sagen und hör bitte auf mich zu drängen.“
„Hai Sensej.“
Zu mehr war Gaby in diesem Moment nicht in der Lage. Mehr bekam sie einfach nicht raus. Es war, als würde jedes weitere Wort überflüssig.
„Darf ich die Angebote von BVG mal sehen?“
Sie traute sich fast gar nicht die Frage zu stellen. Zu sehr erinnerte sie gerade dieses Gefühl an damals. Sie fühlte sich gerade wieder klein. So wie damals.
„Klar, ich hol mal eben die Unterlagen.“
Gaby saß total verwirrt am Tisch und grübelte. Was ging hier vor? Was wollten ihr Vater und Kassandra´s  Vater erreichen? Warum dieses Manöver?
„Weißt du, ich hab damals echt geglaubt, dass ich es dir nicht wert war.“ Ich glaubte echt du wolltest mich nicht. Und das hat so verdammt weh getan.“
„Es tut mir leid, aber ich konnte dir nicht schreiben, ich durfte nicht.“
„Wieso? Du hättest es versuchen müssen!!!“
„Das habe ich und nicht nur einmal. Glaub mir.“
„Nur die Folgen waren halt nicht sehr erbauend!“
„Oh, man! Das ist nicht wahr, oder? Ich meine, die haben nicht wirklich?“
„Doch die haben und jedes Mal wenn ich dir Post geschickt habe wurde es schlimmer. Bis zu dem einen Tag, an dem Archangel einen Brief bekam.“
„Was war in dem Brief?“
„Es war ein Brief meines Vaters und sein Testament. Er hatte sich bei Archangel entschuldigt und mir das Dojo hinterlassen.“
„Und wie hat Archangel reagiert? Ich meine, ihr mochtet Euch anscheinend ja nicht sehr.“
„Er hat sich entschuldigt, wir waren mittlerweile so was wie Vater und Tochter geworden. Er war mir mehr Vater als ich es hätte erwarten können.“
„Warum bist du denn jetzt erst wieder hergekommen?“
„Ich musste meine 10 Jahre Dienstzeit beenden. Danach konnte ich mich erst hier um alles kümmern. Erst wollte ich alles verkaufen, dann aber kamen zu viele schöne Erinnerungen hoch und ich beschloss das Dojo wieder auf zu bauen.“

Samstag, 15. März 2014

Gaby wartet im Park - Kapitel 7 - Neufassung

Gaby wartet im Park Kapitel 1
Gaby wartet im Park Kapitel 2
Gaby wartet im Park Kaptiel 3
Gaby wartet im Park Kapitel 4
Gaby wartet im Park Kapitel 5
Gaby wartet im Park Kapitel 6

Kapitel 7

Laute Musik dröhnte aus den Boxen. Gaby Moser interessierte das nicht. Heute Abend wollte sie nur abschalten. Sie wollte tanzen, trinken und wer weiß vielleicht fand sich auch etwas Nettes für die Nacht. Immerhin war sie seit vier Monaten Single und hätte schon mal wieder gerne Sex mit einem anderen, menschlichen Wesen erlebt. Vibratoren waren doch ebenso wie Tofu – doch nur Fleischersatz und Gaby liebte einen saftigen Braten. Die zierliche, blonde Frau saß auf ihrem Barhocker und schaute nachdenklich zum Barkeeper rüber. Ihre grünen Augen wirkten müde. Sie war vom Alltag geschafft und nun war sie hier und wollte Spaß haben. Sie war direkt von der Arbeit hierher gefahren und nun saß sie hier in ihrer grauen Buntfaltenhose und der weißen Bluse, welche sie wie immer in der Hose trug. Als Bezirksdirektorin einer großen deutschen Versicherung musste sie halt einen angemessenen Kleidungsstil beweisen. Zum Glück war das für sie einfach. Denn sie musste sich wegen ihrer Figur nicht verstecken, da war nicht mal ein Bauchansatz bei ihr! Wie auch? Dafür trieb sie viel zu viel Sport. Ihre zierlichen Füße stecken in schwarzen Wildlederpumps und diese fingen gerade an leicht zur Musik zu wippen, als der DJ gerade anfing die Schlagerwelle der 70er rauf und runter zu spielen. Nach dem Arbeitstag im Büro würde sie gerne alleine etwas trinken. Beide Voraussetzungen ließen sich schnell erfüllen. Das Getränk würde sie gleich bestellen und alleine war sie sowieso fast immer, wenn sie nicht arbeitete.
„Einen Caipirinha mit Rum anstatt Cachaca!“
„Trinkst du immer noch dieses komische Zeug?“
„Ich habe nie komisches Zeug getrunken. Du wusstest nur nie was schmeckt!“ Diese Rechtfertigungen für ihr Lieblingsfeiergetränk fand sie wirklich mittlerweile zum Kotzen. Insbesondere, weil sie immer wieder von einer bestimmten Person kamen.
„Kassandra, du weißt das ich Cachaca nicht mag, warum also lästerst du darüber? Gerade du solltest den Grund kennen.“
„Ja, sorry. Ich wollte dich nicht verletzen. Hab das von dir und Stefan gehört und  als ich dich von da drüben hier sitzen sah, dachte ich, dass du vielleicht reden magst.“
„Es ist seit vier Monaten vorbei. Was soll ich darüber reden wollen und wieso ausgerechnet mit dir?“
Endlich kam der Caipirinha und beim ersten Schluck spürte Gaby, wie der Alkohol sich durch die Süße des braunen Zuckers in ihrem Blut verteilte. Sie spüre wieder was, endlich!
Und schon waren sie da - die ersten Gedanken an früher, an diese so verhassten Gespräche mit … ja mit IHR.
„Woran denkst du gerade, Gaby?“, ihr Arm lehnte am Tresen und stützte ihren Kopf, sie sah Gaby aus ihren blauen Augen an, klar, deutlich, interessiert, fordernd. Dann stützte sie ihren rechten Arm auf den Tresen und mit ihrer rechten Hand stützte sie ihr Gesicht ab. Kassandra beobachtete Gaby weiter.
„An Nichts was heute noch zählen würde!“
Gaby wollte nicht, dass die Dinge von früher wieder hochkamen und dennoch, ihr erster Gedanke war: „Wieder dieser Club. Wieder diese Bar“. Aber nein, diesmal nicht. Diesmal würde es nicht so enden wie damals. Kassandra´s Stirn runzelte sich leicht. Sie erkannte, dass Gaby ihr etwas verschwieg, sie spürte die Mauer um sich, welche Gaby gezogen hatte.
“Gaby, das war nicht meine Frage.“
„Vielleicht will ich deine Frage nicht beantworten?“
„Wie du meinst, Träumerin.“
Kassandra´s Stimme hatte wieder diesen spöttischen Unterton, welchen Gaby noch nie gemocht hatte. Ja, sie liebte es zu träumen. Damals zumindest, aber die Zeit war vorbei. „Wir sind hier nicht bei wünsch dir was, sondern bei „So ist das Leben!“  Hatte ihr Vater immer gesagt. Ihr Vater, angesehener Rechtsanwalt.
„Seit wann bist du wieder hier, Kassandra?“
„Wer sagt denn dass ich je weg war?“
„Keine Ahnung, immerhin ist es fast 10 Jahre her das wir uns….!“
Gaby verschluckt den Rest des Satzes, und nahm einen kräftigen Zug von ihrem Caipi.
„Trink nicht so schnell, du verträgst doch nicht so viel.“
„Das kann dir doch egal sein.“
„Wenn du meinst, dann kann ich ja auch gehen.“
Mit diesen Worten stand Kassandra auf und ging. Toll, dachte sich Gaby. Nun ist meine Stimmung komplett im Keller. Immer schneller trank sie den Caipi aus. Irgendwann entschied sie sich zwischen zwei Caipirinha, die Musik war gar nicht so schlecht. Dazu könnte man auch tanzen. Und so verbrachte sie den Abend auf der Tanzfläche und an der Bar. Tanzen oder Caipirinha, das war ihr Freitagabend. Als sie dann gegen  04.00 Uhr den Club verließ, waren kaum noch Leute da. Draußen warteten ein paar Männer anscheinend auf ihr Taxi und auch Gaby stellt sich etwas weiter von ihnen entfernt an die Taxibucht.
„Hallo, schöne Frau, sollen wir dich mitnehmen? Dann sparst du dir das Geld fürs Taxi!“
„Nein danke. Ich fahre gern Taxi!“
„Na komm schon, sei keine Spielverderberin.“
Einer dieser schmierigen Typen legte seinen Arm um sie und ehe sie darüber nachdenken konnte, hatte sie ihm schon eine gescheuert.
„Ich sagte Nein!“
Jetzt schlug die Stimmung um, die Männer drängten sie immer mehr in eine dunkle Ecke. Gaby bekam Angst. Erinnerte sich aber daran, was ihr Lehrer für Jiu-Jitsu ihr damals beigebracht hatte - niemals Angst zeigen!
„Hey Leute, der Spaß ist vorbei. Lasst uns aufhören. Ich will wirklich ein Taxi nehmen.“
„Nein, der Spaß fängt gerade erst an, Süße!“
Mit einem dreckigen Grinsen gab er ihr einen Stoß, sodass sie auf der Motorhaube eines Autos landete.
Mit fester Stimme rief sie.    
„Hey spinnt Ihr? Was soll das?
„Halt lieber die Klappe, dann ist es auch schnell vorbei.“
Das nächste was sie mitbekam war, wie der Kerl, der sich gerade über sie gebeugt hatte, aufschrie und neben dem Auto zusammen sackt.
„Will noch jemand Rührei?“
Kassandra stand direkt in Gabys Sichtfeld. Und das erste Mal war sie froh, Kassandra heute zu sehen.
„Toll, statt einer gleich zwei Bräute!“, ruft der eine freudig aus.
„Übernimm dich nicht, Schätzchen.“
Mit einem Lächeln ging sie auf den Wortführer zu. Kaum dass dieser die Arme um sie legen wollte, flog er auch schon an die nächste Wand und sackt zusammen.
„Na, hast du auch Bock auf uns beide?“
Mit diesen Worten schaute sie den letzten Strolch mit kalten, eisblauen Augen an.
„Nein, nein, danke, mir ist die Lust gerade vergangen.“
Sprach´s und schon rannte er weg.
Kassandra ging zur Motorhaube, schaut zu Gaby.
„Na war doch ein wenig zu tief ins Glas geschaut, Kleines?“
„Das geht dich gar nichts an!“
„Na wenn du hier so einladend auf einer Motorhaube liegst und nicht mehr weißt wie du fünf Jahre Kampfkunst anwenden sollst um daraus zu kommen, hab ich zwei Möglichkeiten: Erstes, ich nutze es für mich aus. Zweitens, ich bringe dich nach Hause. Was wäre dir lieber?“
Kassandra lächelte Gaby an. In ihrem Gesicht war die Sorge um Gaby mehr als deutlich zu lesen.
„Bring mich bitte nach Hause, Kassandra.“
Gaby schwankte mehr von der Motorhaube, als dass sie mit sicheren Bewegungen von der Motorhaube kam. Sie zitterte am ganzen Leib. Kassandra legt schnell ihren Mantel um Gaby und brachte sie zu ihrem Wagen.
„Du fährst immer noch den Vectra?“, Gaby muss lächeln. Anscheinend gab es doch so einiges konstantes im Leben ihrer Retterin.
„Ja, warum nicht, er sieht gut aus, hat genug PS für kritische Situationen und ist günstig in den Steuern.“
„Wusste gar nicht, dass du so eine treue Seele sein kannst.“, in ihrer Stimme klang Zynismus mit.
„Du weißt so einiges nicht, Kleines.“
Kassandra fuhr Gaby direkt nach Hause. Gaby schlief in dem warmen Auto schnell ein und so merkte sie gar nicht, dass Kassandra sie nach oben trug, ihr die Clubklamotten auszog und sie ins Bett legte und mit einem Kuss auf die Stirn zudeckte.
Am nächsten Morgen wachte Gaby auf. Sofort viel ihr der Abend wieder ein, Kassandra, die Situation auf der Motorhaube. Kassandra saß auf dem alten Ohrensessel  im Schlafzimmer und schlief. Gaby musste lächeln, die ersten Erinnerungen kamen hoch.

Gaby setzte sich auf das Bett und schaute in Kassandra´s hübsches Gesicht. Damals war es die Schönheit der Jugend, aber das was sie heute sah, was ihr den Atem nahm, war eine Frau, kein Küken. Nein eine gestandene Frau.
„Verdammt, warum musste ich dir nur wieder begegnen.“
„Weil Gaby immer im Park warten wird. Warten auf Mr. Right.“
„Mr. Right oh nein auf den warte ich schon lange nicht mehr.“
„Auf wen wartest du denn?“
„Keine Ahnung, ich geh jetzt duschen.“
Erst jetzt realisiert Gaby, dass sie nicht mehr ihre Clubkleidung trug.
„Hast du etwas?“
Ihr Gesicht lief rot an.
„Ja, ich habe dich ausgezogen und dir deinen Schlafanzug angezogen. Der an dir übrigens echt sexy aussieht.“
Kassandra musterte Gaby von oben bis unten in ihrem weiß blauen Satinschlafanzug .
„Keine Angst, ich habe nichts gesehen, was ich nicht schon mal gesehen hab und nun ab, geh duschen, Kleines!“
Wie immer, Kassandra kontrollierte die Situation, es ist immer das Gleiche zwischen den beiden. Und wie immer fügte sich Gaby, geht ins Bad und duscht erst mal ausgiebig.

Danach ging sie mit einem großen Frotteetuch  in die Küche, von weitem roch sie schon den Kaffee.
„Warum Kassandra?“
„Warum was, Träumerin?“
„Warum bist du hier?“
„Weil dich gestern eine Clique vergewaltigen wollte und ich mir Sorgen um dich gemacht habe?“
„Nein, das meine ich nicht. Warum hast du mich nach 10 Jahren angesprochen. Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe?“
„Weil ich mit dir reden wollte. Ich wollte wissen wie es dir geht.“
„Danke mir geht gut. Ich bin seit vier Monaten glücklicher Single.“
„Und ertrinkst deinen Kummer immer noch in Caipirinha!“
„Das geht dich gar nichts an. Das Recht meinen Alkoholkonsum zu kritisieren hast du vor Jahren aufgeben. Vor 10 Jahren…“
„Vor 10 Jahren 4 Monaten und 3 Tagen, Träumerin.“
Verdattert schaute Gaby Kassandra an.
„Du weißt es so genau?“
„Ich habe keinen Tag vergessen. Ich habe nichts vergessen. Und es vergeht kein Tag, an dem ich nicht bedaure, was ich dir angetan habe?“
„Späte Reue?“, die Frage war eher rhetorisch als ernst gemeint. Gaby wollte Kassandra gar nicht so nah an sich ranlassen. So nah, dass sie die Antwort wirklich interessierte.
Kassandra schwieg. Sie kniff die Lippen zusammen.
„Wieso? Wieso hast du mich nie besucht. Ich habe dir geschrieben, so oft.“
„Ich konnte nicht, Gaby.“
„Du konntest nicht? Seit wann gibt es Dinge, die große Kassandra nicht kann.“
„Seit dem ich mein Wort gegeben habe. Gaby ich hab damals mein Wort gegeben den Kontakt nicht wieder zu dir aufzunehmen.“
„Warum? Und vor allem wem?“
„Du weißt es nicht, oder? Du weißt wirklich nicht warum ich damals nicht zur Prüfung erschienen bin? Warum du ein Trainingsverbot bei meinem Vater hattest?“
„Nein, ich hab dich doch seit unserer TRAININGSEINHEIT nie wieder gesehen. Bis gestern.“
In Gaby stieg die Wut hoch, eine unbändige Wut.
„Weißt du auch nicht, warum du nicht mehr bei uns trainieren durftest?“
„NEIN Kassandra, NEIN! Ich weiß nur, dass du gerade wieder dabei bist mein Leben komplett durcheinander zu bringen.“
Gaby war den Tränen nahe. Kassandra biss sich auf die Lippen schaute rüber zu Gaby. Schaute ihr tief in die grünen Augen.
„Woran erinnerst du dich?“
„Nachdem wir zwei….“
Gaby räuspert sich, „Nun nachdem …“
„Nachdem ich dich gefickt habe, genau. Woran kannst du dich noch erinnern?“
„Mein Vater rief an, ich solle nach Hause kommen.“

Kassandra ging auf Gaby zu, sie stand so nah vor ihr, dass sie geradezu in das Dekolltee von Gaby schauen konnte. Aber diesmal nicht, keine Anzüglichkeiten, kein Lächeln auf ihrem Gesicht.
„Gaby, ich war dabei, ich habe alles mitbekommen.“
„Wie du warst dabei?“
„Die Unterredung mit deinem Vater, ich bin dir gefolgt. Denn ich kannte den Grund des Anrufes. Mein Vater hatte deinen Vater angerufen.“
„Ich verdanke deinem Vater die ….“
Fassungslos starrt Gaby Kassandra an.
„Ich verdanke deinem Vater, dass ich eine Woche auf dem Bauch geschlafen habe?“
„Warum bist du danach nicht dagewesen für mich?“
In Gabys Augen sammeln sich die Tränen.
„Warum? Ich hab dich gebraucht, verdammt noch mal!“
In diesem Moment holt Gaby aus und all die Wut, Enttäuschung, Traurigkeit und all der Schmerz entluden sich in einer schallenden Ohrfeige auf Kassandra´s Wange.
Diese bleibt wie in Stein gemeißelt stehen.
„Weißt du es wirklich nicht?“
„Nein, verdammt noch mal!“
„Gut, dann kann ich ja gehen.“
„Ich weiß, im Gehen hast du Übung.“
Voller Zynismus schleudert Gaby ihrer Ex die Worte entgegen.
„So wie du noch immer im Park wartest!“
„Nein, nicht mehr Kassandra, deine kleine Träumerin wartet nicht mehr im Park auf Mr. Right!“
„Nein?“
„Nein, deine kleine Träumerin hat auf dich gewartet, Mrs. Right!“
Tränen schossen Gaby in die Augen, all ihr Widerstand zerbrach. Diese Frau, welche ihr Leben damals so stark verändert hat.
„Weißt du was viel mehr weh getan hat als die Schläge meines Vaters?“
Kassandra Heinze schüttelt den Kopf, ihre Lippen  zusammen gekniffen. Ihr Gesicht zu einer Maske erstarrt.
„Dass ich das alles umsonst aushalten musste.“
In diesem Moment liefen bei Gaby die Tränen in Sturzbächen die Wangen herunter. Kassandra wollte auf sie zugehen, sie in den Arm nehmen.
„Fass mich nicht an!“, faucht Gaby sie nur an.
„Weißt du, das einzige was mich innerlich aufrecht stehen ließ dabei, war das Wissen, dass du hinter her für mich da bist. Das wir beide irgendwann mal über all das Erlebte lachen können. Sieht das aus als wenn ich darüber lachen kann?“
„Alleine Lachen ist auch nicht so befreiend, Träumerin.“
„Hör auf damit, die Zeit der Träumereien ist lange vorbei.“
„Und warum nimmt es dich immer noch so mit? Ich meine, irgendwas scheint dir diese Zeit ja zu bedeuten. Ansonsten würdest du nicht so….“
„…So ausrasten und dir eine scheuern?“
„Ja.“
„Geh! Verschwinde aus meinem Leben. Endgültig!“
„Das kann ich nicht, Träumerin.“
„Warum nicht?“
„Weil ich dich immer noch liebe. Ich habe nie aufgehört dich zu lieben.“

Freitag, 14. März 2014

Gaby wartet im Park - Kapitel 6 - Neufassung

Gaby wartet im Park Kapitel 1
Gaby wartet im Park Kapitel 2
Gaby wartet im Park Kaptiel 3
Gaby wartet im Park Kapitel 4
Gaby wartet im Park Kapitel 5

Kapitel 6


Mittlerweile waren 7Jahre vergangen und Ralf Moser hatte seit dieser Zeit keinen Kontakt mehr zu seiner Tochter alles was ihm blieb war seine Arbeit und genau die machte er als er das Gefängnis betrat. Es schüttelte ihn, ieses Loch war einfach nur ekelkaft aber die junge Frau die hier einsaß, die interessierte ihn. Vielleicht war sie der Weg um  seine Pläne zu verwirklichen.
Sie saß sie in einer Gefängniszelle und ein Herr im weißen Anzug kam zusammen mit dem Polizisten rein.
„Ihre Kaution ist bezahlt. Ihr Anwalt hat die Kaution hinterlegt!“
„Aber ich habe doch….“
„Sie haben den besten Anwalt der Welt für Strafsachen, Frau Brand!“
Mit einem Lächeln gab er ihr die Hand.
„Und nun kommen Sie, wir wollen diesen ungastlichen Ort verlassen.“
Valerie Martinique Brand schluckte. Anscheinend würde ihr endlich jemand helfen. Sie wusste das sie einen riesengroßen Fehler gemacht hatte. Sie war bereit dafür zahlen. Aber musste man ihr ganzes Leben versauen? Sie wollte doch einfach nur einen Job haben und Geld verdienen, aber das ging nicht hier. Das ging nur in Freiheit.
Die beiden verließen das Gefängnis und unterwegs begann Ralf Moser sie auszufragen.
„Wissen Sie schon wie sie die Sache aus der Welt bekommen?“
„Nein, ich weiß nur eines ich muss anfangen Geld zu verdienen. Daher suche ich eine Ausbildung. Ich will das alles hinter mich bringen und Geld verdienen. Dann kann ich auch meine Schulden bezahlen!“
„Frau Brand, da haben wir eventuell auch andere Möglichkeiten. Das sollten wir dann aber in Ruhe besprechen. Ich schlage vor wir fahren in die Kanzlei.“
Das junge Mädchen nickte und die beiden fuhren in das Anwesen von Ralf Moser. In seinem Büro erklärte er ihr sehr genau wie er sich die Lösung ihres Problems vorstellte. Sehr sachlich schilderte er ihr seine Vorstellungen von dieser Dienstleistung.
„Herr Moser, damit gebe ich mich in ihre Hände. Das ist ja wie…..Das ist Sklaverei!“
Entrüstet sagte Valerie diese Worte zu dem Mann im weißen Anzug.
„So dürfen Sie das nicht sehen. Das ist eher so etwas wie ein Arbeitsvertrag mit einer ungewöhnlichen Arbeitszeit.“
Valerie schluckte, sie wusste das sie keine große Wahl hatte. Sie wollte aus dem Schlamassel raus und dieser Mann bot ihr eine Chance. Er bot ihr eine Chance neu an zufangen. Wann auch immer das sein würde.
„Ok, ich bin einverstanden.“
Leise sagte Valerie diese Worte, welche ihr Schicksal besiegeln sollten. Sie fühlte sich nicht wohl dabei, aber sie wusste sie hatte keine andere Chance.
„Wie meinen Sie?“
Die grünen Augen von Ralf Moser durchbohrten sie förmlich.
„Ich bin einverstanden, schlagen sie der Gegenseite den Vergleich vor.“
Ralf Moser lächelte und sagte dann.
„Ok Frau Brand, bis wir eine adäquate Anstellung für sie gefunden haben, werden sie hier in diesem Hause wohnen. Oben ist ein Gästezimmer für sie frei.“
Er führte das junge Mädchen nach oben in die Zimmer und zeigte ihr das Zimmer welches einst seiner Tochter gehört hatte.

Drei Tage später trafen sich alle Beteiligten vor Gericht und sollten sich die Urteilsverkündung anhören, Ralf Moser hatte mit seinen Verhandlungen bis unmittelbar davor gewartete und konnte in dem Moment wo der Richter anfing zu sprechen:
„Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil….“
„Verzeiht Herr Richter, aber die Gegenseite hat einen Einigungsvorschlag gemacht und meine Mandantin und ich würden diesen Vorschlag gerne annehmen. Frau Brand kann die Strafe abarbeiten. Näheres würden wir gerne separat nach der Verhandlung mit Frau Brand besprechen!“
„In Ordnung. Frau Brand sind sie mit der Fortsetzung der Vergleichsverhandlungen einverstanden?“
„Ja, Herr Richter.“
„Gut, dann ist die Sache hier, erst mal erledigt.“
Der Anwalt im weißen Anzug grinste. Er hatte erreicht was er wollte. Nun hatte er Frau Brand ganz in seiner Hand. Sie war an dem Punkt an dem er sie die ganze Zeit haben wollte.

Eine Woche später rief Ralf Moser ein Freund an und meinte zu ihm.
„Frau Moser ist seit heute Bezirksdirektorin. Sie sucht eine Vorzimmerdame, welche nicht von der Firma gestellt wird. Kennst Du da jemanden Ralf?“
„Ja, ich kenne da jemanden, und die junge Dame wird sich freuen endlich Arbeit zu haben.“
Ralf Moser ging sofort nach dem Telefonat zu Valerie und teilte ihr mit das sie einen Job bei einer Versicherung bekommen könne. Dankbar sah Valerie ihn an und vesprach sich darum sofort zu kümmern. Ralf Moser lächelte und meinte dann zu ihr.
„Vorher gehen sie aber erst mal passende Sachen für ein Vorstellungsgespräch als Vorzimmerdame einkaufen.“
Mit diesen Worten überreichte er ihr eine EC-Karte auf ihren Namen und schickte sie mit einem Wink zu einkaufen. Freudestrahlend umarmte sie ihren Gönner und verschwand in die Stadt zum Einkaufen
Lächelnd lief Valerie durch die Stadt und schaute in die Schaufenster der Boutiquen.

Ein weiteres Jahr später stand eine junge Frau vor einem verfallenen Dojo, sie sank vor den Toren auf die Kniee und die Tränen liefen ihre Wangen herab. Sie hatte alles verloren. Nun auch noch das hier. Ihr erster Gedanke war es das alles zu verkaufen und woanders vollkommen neu anzufangen, doch das war nicht ihres. Sie hing an ihrem Elternhaus und suchte darum einen anderen Weg. Instinktiv suchte ihr Herz einen anderen Weg.
„Ich baue das alles wieder auf Daddy, versprochen. Du wirst Stolz auf deine Tochter sein.“
Kassandra ging ums Haus und öffnete die Garage und da stand ihr Geburtstagsgeschenk.. Abgedeckt aber dennoch waren die Konturen klar zu erkennen. Sofort zog sie die Plane weg und wieder begannen die Tränen an ihrem Gesicht herunter zu laufen. Sie würde noch eine Menge weinen, dessen wurde sie sich gerade bewusst.
Der Wagen war nicht verschlossen, die Schlüssel lagen auf dem Armaturenbrett und Kassandra öffnete die Tür. Wie mechanisch setzte sie sich in das Auto und weinte hemmungslos. 


Gaby stand gerade wieder im Flur ihrer Wohnung, sie lehnte sich an die Tür ihrer Wohnung und auch bei ihr liefen die Tränen. Gerade eben hatte sie erfahren, das ihr Freund eine Bekannter ihres Vaters war. Sie fühlte sich verraten und verkauft. Nie hatte er etwas davon gesagt, sie musste ist erst durch einen lausigen Zufall herausfinden. Eine Karte welche ihr Vater ihrem Freund aus der Schweiz geschickt hatte. Die Schweiz wo er so gerne Urlaub machte. Verflucht, das tat so weh. Sie sank auf den Fussboden und weinte, weinte hemmungslos. „Starke Bäume stehen im Wald alleine.“ Dieser Satz kam ihr immer wieder in den Kopf. In ihr krampfte sich auf einmal alles. Ihr wurde speiübel. Schnell rannte sie zum WC und schon war der gesamte Mageninhalt in der Kloschüssel.

Kassandra hatte ein paar Tage später ihren geliebten Vectra zum TÜV gebracht und staunte nicht schlecht. Der Wagen brauchte nur ein paar neue Bremsen, einen Ölwechsel und eine neue Batterie. Ansonsten war das Auto fahrtauglich. Also ging sie in die Stadt und wollte sich ein Kfz-Kennzeichen besorgen. Die EvB-Nummer wollte sie sich bei der nächsten Versicherung abholen. Und Kassandra hatte Glück, vor ihr war auch gleich das Büro neue Büro einer Versicherung.
„Zenturion?- Hm, noch nie gehört. Aber ich schau da mal vorbei. Vielleicht sind die ja bezahlbar.“
Sie ging ins Büro rein, als ein älterer Mann mit sonnengebräunter Haut, brauen glatten Haaren und blauen Augen begrüsste.
„Hallo, Peter Fallner mein Name, was kann ich für Sie tun?“
„Kassandra Heinze, ich benötige eine Autoversicherung. Und wenn ich schon mal hier bin, hab ich noch ein paar andere Fragen.“

Kassandra ließ sich die Autoversicherung berechnen, unterschrieb den Vertrag und nahm ebenfalls Angebote für eine Firmeninventarversicherung, eine Gewerbehaftpflichtversicherung und eine Krankenvollversicherung mit.
„Auf Wiedersehen Herr Fallner, ich melde mich die nächsten Tage bei Ihnen.“
„Kann sein das ich dann nicht immer hier sein werde. Diese Bezierksdirektion wird neu besetzt und ich übernehme eine Agentur etwas ausserhalb. Aber wenn Sie sagen das Sie von mir betreut werden wollen wird das hier kein Problem geben.“
„Wunderbar Herr Fallner, ich danke Ihnen.“
Kassandra gab den freundlichen Versicherungsberater noch einmal die Hand und verließ dann das Büro.

Gaby wartet im Park Kapitel 7