Samstag, 15. März 2014

Gaby wartet im Park - Kapitel 7 - Neufassung

Gaby wartet im Park Kapitel 1
Gaby wartet im Park Kapitel 2
Gaby wartet im Park Kaptiel 3
Gaby wartet im Park Kapitel 4
Gaby wartet im Park Kapitel 5
Gaby wartet im Park Kapitel 6

Kapitel 7

Laute Musik dröhnte aus den Boxen. Gaby Moser interessierte das nicht. Heute Abend wollte sie nur abschalten. Sie wollte tanzen, trinken und wer weiß vielleicht fand sich auch etwas Nettes für die Nacht. Immerhin war sie seit vier Monaten Single und hätte schon mal wieder gerne Sex mit einem anderen, menschlichen Wesen erlebt. Vibratoren waren doch ebenso wie Tofu – doch nur Fleischersatz und Gaby liebte einen saftigen Braten. Die zierliche, blonde Frau saß auf ihrem Barhocker und schaute nachdenklich zum Barkeeper rüber. Ihre grünen Augen wirkten müde. Sie war vom Alltag geschafft und nun war sie hier und wollte Spaß haben. Sie war direkt von der Arbeit hierher gefahren und nun saß sie hier in ihrer grauen Buntfaltenhose und der weißen Bluse, welche sie wie immer in der Hose trug. Als Bezirksdirektorin einer großen deutschen Versicherung musste sie halt einen angemessenen Kleidungsstil beweisen. Zum Glück war das für sie einfach. Denn sie musste sich wegen ihrer Figur nicht verstecken, da war nicht mal ein Bauchansatz bei ihr! Wie auch? Dafür trieb sie viel zu viel Sport. Ihre zierlichen Füße stecken in schwarzen Wildlederpumps und diese fingen gerade an leicht zur Musik zu wippen, als der DJ gerade anfing die Schlagerwelle der 70er rauf und runter zu spielen. Nach dem Arbeitstag im Büro würde sie gerne alleine etwas trinken. Beide Voraussetzungen ließen sich schnell erfüllen. Das Getränk würde sie gleich bestellen und alleine war sie sowieso fast immer, wenn sie nicht arbeitete.
„Einen Caipirinha mit Rum anstatt Cachaca!“
„Trinkst du immer noch dieses komische Zeug?“
„Ich habe nie komisches Zeug getrunken. Du wusstest nur nie was schmeckt!“ Diese Rechtfertigungen für ihr Lieblingsfeiergetränk fand sie wirklich mittlerweile zum Kotzen. Insbesondere, weil sie immer wieder von einer bestimmten Person kamen.
„Kassandra, du weißt das ich Cachaca nicht mag, warum also lästerst du darüber? Gerade du solltest den Grund kennen.“
„Ja, sorry. Ich wollte dich nicht verletzen. Hab das von dir und Stefan gehört und  als ich dich von da drüben hier sitzen sah, dachte ich, dass du vielleicht reden magst.“
„Es ist seit vier Monaten vorbei. Was soll ich darüber reden wollen und wieso ausgerechnet mit dir?“
Endlich kam der Caipirinha und beim ersten Schluck spürte Gaby, wie der Alkohol sich durch die Süße des braunen Zuckers in ihrem Blut verteilte. Sie spüre wieder was, endlich!
Und schon waren sie da - die ersten Gedanken an früher, an diese so verhassten Gespräche mit … ja mit IHR.
„Woran denkst du gerade, Gaby?“, ihr Arm lehnte am Tresen und stützte ihren Kopf, sie sah Gaby aus ihren blauen Augen an, klar, deutlich, interessiert, fordernd. Dann stützte sie ihren rechten Arm auf den Tresen und mit ihrer rechten Hand stützte sie ihr Gesicht ab. Kassandra beobachtete Gaby weiter.
„An Nichts was heute noch zählen würde!“
Gaby wollte nicht, dass die Dinge von früher wieder hochkamen und dennoch, ihr erster Gedanke war: „Wieder dieser Club. Wieder diese Bar“. Aber nein, diesmal nicht. Diesmal würde es nicht so enden wie damals. Kassandra´s Stirn runzelte sich leicht. Sie erkannte, dass Gaby ihr etwas verschwieg, sie spürte die Mauer um sich, welche Gaby gezogen hatte.
“Gaby, das war nicht meine Frage.“
„Vielleicht will ich deine Frage nicht beantworten?“
„Wie du meinst, Träumerin.“
Kassandra´s Stimme hatte wieder diesen spöttischen Unterton, welchen Gaby noch nie gemocht hatte. Ja, sie liebte es zu träumen. Damals zumindest, aber die Zeit war vorbei. „Wir sind hier nicht bei wünsch dir was, sondern bei „So ist das Leben!“  Hatte ihr Vater immer gesagt. Ihr Vater, angesehener Rechtsanwalt.
„Seit wann bist du wieder hier, Kassandra?“
„Wer sagt denn dass ich je weg war?“
„Keine Ahnung, immerhin ist es fast 10 Jahre her das wir uns….!“
Gaby verschluckt den Rest des Satzes, und nahm einen kräftigen Zug von ihrem Caipi.
„Trink nicht so schnell, du verträgst doch nicht so viel.“
„Das kann dir doch egal sein.“
„Wenn du meinst, dann kann ich ja auch gehen.“
Mit diesen Worten stand Kassandra auf und ging. Toll, dachte sich Gaby. Nun ist meine Stimmung komplett im Keller. Immer schneller trank sie den Caipi aus. Irgendwann entschied sie sich zwischen zwei Caipirinha, die Musik war gar nicht so schlecht. Dazu könnte man auch tanzen. Und so verbrachte sie den Abend auf der Tanzfläche und an der Bar. Tanzen oder Caipirinha, das war ihr Freitagabend. Als sie dann gegen  04.00 Uhr den Club verließ, waren kaum noch Leute da. Draußen warteten ein paar Männer anscheinend auf ihr Taxi und auch Gaby stellt sich etwas weiter von ihnen entfernt an die Taxibucht.
„Hallo, schöne Frau, sollen wir dich mitnehmen? Dann sparst du dir das Geld fürs Taxi!“
„Nein danke. Ich fahre gern Taxi!“
„Na komm schon, sei keine Spielverderberin.“
Einer dieser schmierigen Typen legte seinen Arm um sie und ehe sie darüber nachdenken konnte, hatte sie ihm schon eine gescheuert.
„Ich sagte Nein!“
Jetzt schlug die Stimmung um, die Männer drängten sie immer mehr in eine dunkle Ecke. Gaby bekam Angst. Erinnerte sich aber daran, was ihr Lehrer für Jiu-Jitsu ihr damals beigebracht hatte - niemals Angst zeigen!
„Hey Leute, der Spaß ist vorbei. Lasst uns aufhören. Ich will wirklich ein Taxi nehmen.“
„Nein, der Spaß fängt gerade erst an, Süße!“
Mit einem dreckigen Grinsen gab er ihr einen Stoß, sodass sie auf der Motorhaube eines Autos landete.
Mit fester Stimme rief sie.    
„Hey spinnt Ihr? Was soll das?
„Halt lieber die Klappe, dann ist es auch schnell vorbei.“
Das nächste was sie mitbekam war, wie der Kerl, der sich gerade über sie gebeugt hatte, aufschrie und neben dem Auto zusammen sackt.
„Will noch jemand Rührei?“
Kassandra stand direkt in Gabys Sichtfeld. Und das erste Mal war sie froh, Kassandra heute zu sehen.
„Toll, statt einer gleich zwei Bräute!“, ruft der eine freudig aus.
„Übernimm dich nicht, Schätzchen.“
Mit einem Lächeln ging sie auf den Wortführer zu. Kaum dass dieser die Arme um sie legen wollte, flog er auch schon an die nächste Wand und sackt zusammen.
„Na, hast du auch Bock auf uns beide?“
Mit diesen Worten schaute sie den letzten Strolch mit kalten, eisblauen Augen an.
„Nein, nein, danke, mir ist die Lust gerade vergangen.“
Sprach´s und schon rannte er weg.
Kassandra ging zur Motorhaube, schaut zu Gaby.
„Na war doch ein wenig zu tief ins Glas geschaut, Kleines?“
„Das geht dich gar nichts an!“
„Na wenn du hier so einladend auf einer Motorhaube liegst und nicht mehr weißt wie du fünf Jahre Kampfkunst anwenden sollst um daraus zu kommen, hab ich zwei Möglichkeiten: Erstes, ich nutze es für mich aus. Zweitens, ich bringe dich nach Hause. Was wäre dir lieber?“
Kassandra lächelte Gaby an. In ihrem Gesicht war die Sorge um Gaby mehr als deutlich zu lesen.
„Bring mich bitte nach Hause, Kassandra.“
Gaby schwankte mehr von der Motorhaube, als dass sie mit sicheren Bewegungen von der Motorhaube kam. Sie zitterte am ganzen Leib. Kassandra legt schnell ihren Mantel um Gaby und brachte sie zu ihrem Wagen.
„Du fährst immer noch den Vectra?“, Gaby muss lächeln. Anscheinend gab es doch so einiges konstantes im Leben ihrer Retterin.
„Ja, warum nicht, er sieht gut aus, hat genug PS für kritische Situationen und ist günstig in den Steuern.“
„Wusste gar nicht, dass du so eine treue Seele sein kannst.“, in ihrer Stimme klang Zynismus mit.
„Du weißt so einiges nicht, Kleines.“
Kassandra fuhr Gaby direkt nach Hause. Gaby schlief in dem warmen Auto schnell ein und so merkte sie gar nicht, dass Kassandra sie nach oben trug, ihr die Clubklamotten auszog und sie ins Bett legte und mit einem Kuss auf die Stirn zudeckte.
Am nächsten Morgen wachte Gaby auf. Sofort viel ihr der Abend wieder ein, Kassandra, die Situation auf der Motorhaube. Kassandra saß auf dem alten Ohrensessel  im Schlafzimmer und schlief. Gaby musste lächeln, die ersten Erinnerungen kamen hoch.

Gaby setzte sich auf das Bett und schaute in Kassandra´s hübsches Gesicht. Damals war es die Schönheit der Jugend, aber das was sie heute sah, was ihr den Atem nahm, war eine Frau, kein Küken. Nein eine gestandene Frau.
„Verdammt, warum musste ich dir nur wieder begegnen.“
„Weil Gaby immer im Park warten wird. Warten auf Mr. Right.“
„Mr. Right oh nein auf den warte ich schon lange nicht mehr.“
„Auf wen wartest du denn?“
„Keine Ahnung, ich geh jetzt duschen.“
Erst jetzt realisiert Gaby, dass sie nicht mehr ihre Clubkleidung trug.
„Hast du etwas?“
Ihr Gesicht lief rot an.
„Ja, ich habe dich ausgezogen und dir deinen Schlafanzug angezogen. Der an dir übrigens echt sexy aussieht.“
Kassandra musterte Gaby von oben bis unten in ihrem weiß blauen Satinschlafanzug .
„Keine Angst, ich habe nichts gesehen, was ich nicht schon mal gesehen hab und nun ab, geh duschen, Kleines!“
Wie immer, Kassandra kontrollierte die Situation, es ist immer das Gleiche zwischen den beiden. Und wie immer fügte sich Gaby, geht ins Bad und duscht erst mal ausgiebig.

Danach ging sie mit einem großen Frotteetuch  in die Küche, von weitem roch sie schon den Kaffee.
„Warum Kassandra?“
„Warum was, Träumerin?“
„Warum bist du hier?“
„Weil dich gestern eine Clique vergewaltigen wollte und ich mir Sorgen um dich gemacht habe?“
„Nein, das meine ich nicht. Warum hast du mich nach 10 Jahren angesprochen. Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe?“
„Weil ich mit dir reden wollte. Ich wollte wissen wie es dir geht.“
„Danke mir geht gut. Ich bin seit vier Monaten glücklicher Single.“
„Und ertrinkst deinen Kummer immer noch in Caipirinha!“
„Das geht dich gar nichts an. Das Recht meinen Alkoholkonsum zu kritisieren hast du vor Jahren aufgeben. Vor 10 Jahren…“
„Vor 10 Jahren 4 Monaten und 3 Tagen, Träumerin.“
Verdattert schaute Gaby Kassandra an.
„Du weißt es so genau?“
„Ich habe keinen Tag vergessen. Ich habe nichts vergessen. Und es vergeht kein Tag, an dem ich nicht bedaure, was ich dir angetan habe?“
„Späte Reue?“, die Frage war eher rhetorisch als ernst gemeint. Gaby wollte Kassandra gar nicht so nah an sich ranlassen. So nah, dass sie die Antwort wirklich interessierte.
Kassandra schwieg. Sie kniff die Lippen zusammen.
„Wieso? Wieso hast du mich nie besucht. Ich habe dir geschrieben, so oft.“
„Ich konnte nicht, Gaby.“
„Du konntest nicht? Seit wann gibt es Dinge, die große Kassandra nicht kann.“
„Seit dem ich mein Wort gegeben habe. Gaby ich hab damals mein Wort gegeben den Kontakt nicht wieder zu dir aufzunehmen.“
„Warum? Und vor allem wem?“
„Du weißt es nicht, oder? Du weißt wirklich nicht warum ich damals nicht zur Prüfung erschienen bin? Warum du ein Trainingsverbot bei meinem Vater hattest?“
„Nein, ich hab dich doch seit unserer TRAININGSEINHEIT nie wieder gesehen. Bis gestern.“
In Gaby stieg die Wut hoch, eine unbändige Wut.
„Weißt du auch nicht, warum du nicht mehr bei uns trainieren durftest?“
„NEIN Kassandra, NEIN! Ich weiß nur, dass du gerade wieder dabei bist mein Leben komplett durcheinander zu bringen.“
Gaby war den Tränen nahe. Kassandra biss sich auf die Lippen schaute rüber zu Gaby. Schaute ihr tief in die grünen Augen.
„Woran erinnerst du dich?“
„Nachdem wir zwei….“
Gaby räuspert sich, „Nun nachdem …“
„Nachdem ich dich gefickt habe, genau. Woran kannst du dich noch erinnern?“
„Mein Vater rief an, ich solle nach Hause kommen.“

Kassandra ging auf Gaby zu, sie stand so nah vor ihr, dass sie geradezu in das Dekolltee von Gaby schauen konnte. Aber diesmal nicht, keine Anzüglichkeiten, kein Lächeln auf ihrem Gesicht.
„Gaby, ich war dabei, ich habe alles mitbekommen.“
„Wie du warst dabei?“
„Die Unterredung mit deinem Vater, ich bin dir gefolgt. Denn ich kannte den Grund des Anrufes. Mein Vater hatte deinen Vater angerufen.“
„Ich verdanke deinem Vater die ….“
Fassungslos starrt Gaby Kassandra an.
„Ich verdanke deinem Vater, dass ich eine Woche auf dem Bauch geschlafen habe?“
„Warum bist du danach nicht dagewesen für mich?“
In Gabys Augen sammeln sich die Tränen.
„Warum? Ich hab dich gebraucht, verdammt noch mal!“
In diesem Moment holt Gaby aus und all die Wut, Enttäuschung, Traurigkeit und all der Schmerz entluden sich in einer schallenden Ohrfeige auf Kassandra´s Wange.
Diese bleibt wie in Stein gemeißelt stehen.
„Weißt du es wirklich nicht?“
„Nein, verdammt noch mal!“
„Gut, dann kann ich ja gehen.“
„Ich weiß, im Gehen hast du Übung.“
Voller Zynismus schleudert Gaby ihrer Ex die Worte entgegen.
„So wie du noch immer im Park wartest!“
„Nein, nicht mehr Kassandra, deine kleine Träumerin wartet nicht mehr im Park auf Mr. Right!“
„Nein?“
„Nein, deine kleine Träumerin hat auf dich gewartet, Mrs. Right!“
Tränen schossen Gaby in die Augen, all ihr Widerstand zerbrach. Diese Frau, welche ihr Leben damals so stark verändert hat.
„Weißt du was viel mehr weh getan hat als die Schläge meines Vaters?“
Kassandra Heinze schüttelt den Kopf, ihre Lippen  zusammen gekniffen. Ihr Gesicht zu einer Maske erstarrt.
„Dass ich das alles umsonst aushalten musste.“
In diesem Moment liefen bei Gaby die Tränen in Sturzbächen die Wangen herunter. Kassandra wollte auf sie zugehen, sie in den Arm nehmen.
„Fass mich nicht an!“, faucht Gaby sie nur an.
„Weißt du, das einzige was mich innerlich aufrecht stehen ließ dabei, war das Wissen, dass du hinter her für mich da bist. Das wir beide irgendwann mal über all das Erlebte lachen können. Sieht das aus als wenn ich darüber lachen kann?“
„Alleine Lachen ist auch nicht so befreiend, Träumerin.“
„Hör auf damit, die Zeit der Träumereien ist lange vorbei.“
„Und warum nimmt es dich immer noch so mit? Ich meine, irgendwas scheint dir diese Zeit ja zu bedeuten. Ansonsten würdest du nicht so….“
„…So ausrasten und dir eine scheuern?“
„Ja.“
„Geh! Verschwinde aus meinem Leben. Endgültig!“
„Das kann ich nicht, Träumerin.“
„Warum nicht?“
„Weil ich dich immer noch liebe. Ich habe nie aufgehört dich zu lieben.“

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